Doctor cerevisiae
Vom Doctor cerevisiae
Verschwunden und vergessen ist seit etwas dreißig Jahren bei unsern Studenten die hohe Würde des Dr. cer. Nur unter den ältesten “Alten Herrn” gibt’s noch solche, die sich dieses Titels rühmen können und sich auf Bierkarten etc. desselben bedienen. Viele Studenten kennen sogar den Titel und Würde überhaupt nicht mehr und meist muß ein solch alter Dr. cer. den laufenden Epigonen auf der Kneipe davon erzählen. Es ist mir sehr zweifelhaft, ob eine solche “Constitutio” wie die nachfolgende jemals das “Licht der Druckerschwärze” erblickt hat: es dürfte höchste Zeit sein, daß dies geschehe, zumal mir nur recht vergilbtes Manuskript aus dem Jahre 1859 vorliegt. Also:
“Constitutio de Doctoratu”
Wir Lobebär, burschi omnes tuen allen denen Burschen, Füxen und Philistern per nic et nunc öffentlich kund und zu wissen, item so einer wollt werden Doctor cerevisiae er scharpff und gründlichen nachfolgen Satzung zu vermerkhen habe.
§ 1 Doctor cerevisiae ist ein fürnember Titul.
§ 2 Dignissimus traget sehn gülden Käpplein oder cerevisiam auf deme Ohr, er müge bey allen denen Gerichten (als da seynd Bier- und Fehmgerichte) als ein rechter unparteylicher Beyhelfer vor allen anderen auserkohren und gewählt, nit minder ansonsten allenthalb und überall gebührend honorieret werden.
§ 3 Sollicher großen Ehr und Vergünstigung kann niemand nit habhaft werden, er sey denn ein rechter Bursch so
a) unzweyffelhaftig im fünften Semestro stehet
b) nit minder denn zween Füxlein gekeilet habe.
§ 4 In die Wohllöblich Prüfungs-Commissionem müge ernannt werden als praeses collegii der h. t. Senior und Drey commissarii, so der C. fallweise oder vor ein ganzes Semestro erkühret, item Wohlehrsambe Doctores, (ansonsten in Dero Absenz und Vermangelung) andere schwer bemoosete Häubter.
§ 5 Erfordernussen
Der Candiadtus hat der Commissioni ein Dissertations-Schrifft in forma einer strengest Biergelahrten Arbeit zu präsentieren; item solle selbiges Traktätlein an die 100 bis 150 versus, oder ebenmäßig in prosa strictissime 1001 Wort in sich begreiffen; auch solle selbiges auf groß Folio copiret und verzeichnet seyn, müglichst angenehmb und guet austaffiert und letzlich sammbt richterlichen Critik in der Bibliotheca auffbewahret und hinterlegt werden. So die vermeldet Gutheyßung der Dissertationis fürüber, beschehen erst die mündlichen Prüfungen des Doctorandus, als das seynd:
§ 6 Drey Rigorosa
I. Das Rigorosum juridico-historicum, so in sich eynbegreift:
Allgemeine Satzungen
Commentum mitsammbt anhaftendem Commentario,
Annales.
Das Examen, so völlig ein Stund andawren muß, solle offentlich und feyerlich vollführet werden und mit großem Ernst und angemessener Würdigkeiten, allwie es zu gemeynem Nutz und Frommen seyn müge.
§ 7 II. Das hochnotpeinliche Rigorosum besteht darinn, daß
Candidatus klärlich darthun, er hab Zeit seines Lebens wenigstens ein ganz Duzent Bierscandalorum ausgestanden;
er habe coram populo (worunter die Kneippleith zu verstehen) in gewohnter Kneipstuben mit all und jeglicher persona der Commissionis ein Zwiekampff – Turnier oder Waffengang abzutuen; allwo er mindigstens Einen siegreich abschlucken solle. Diese Waffengäng mueßen in zwo Schlagstunden vorbey und zu End gebracht seyn.
Item solle der Candidatus seyn Muet und Leibesübung darinn erzeigen, daß er ein Waffengang tue mit deme nacketen Stachel (anbey sey ihm das auserkühren derer Waffen und die Fechtweiß frey und anheimb gestellt, wohingegen ihm die Hochlöblich commissio einen Wiederpart aufzuwieglen hat). Die Dauer sollicher Übung sei nit gar ein Virtlstündlein mit dreymalliger Absatz und Rastung (so jeglich nur zwo Zeitminuten dawren darf). Die Hochlöblich commissio müge nach deme offentlichen Examine über dir Tapfferkeit in der Fechtkunst des Doctorandi in extenso aburteln (und därff ihr nit werden bestritten und untersagt der Sach kundige Personen bei der Fällung des Urteils zu interpelliren).
§ 8 III. Colloquium fidelitatis Candidatus soll in einer absunderlichen Ex-Kneipen das Präsidium handhaben; item werde zur Ergetzung Aller die Dissertationsschrift als Bierzeitung verlesen; das Geschäft eines Quästoris an ihm selbsten durch Zahlung Dreyer Hörner (so die Hochlöbl. Corona trinket) vollführet; allßdann in einer Bieranklagen solle er als ein Richter fungieren und letzlich sich zum Scheyßfuxen degradieren lassen.
§ 9 Für das I. und II. Rigoroso ist eine Taxatio, nemblich vor jedwelliches ein silbern Reichsthaler; wobey zu vermerkhen, daß er das Diplomum Doctoris umsonsten und unentgeldlich erhalten mueße.
§ 10 In zweiffelhafftigen Fällen hat der Fürsitzer zwo Stimmen; das Durchlassen gemeinhin geschieht hac lege, daß Stimmenmajoritäten; die Eminentia, so dreyviertheyll Stimmen vorhanden seynd. Der Löbl. Commissio sey anheymgeben die Zeit einer Reprobationis festzusatzen.
§11 Es wird fortgesopfen!