Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen
Das Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen (EVA) fußt auf dem „Marburger Abkommen“ von 1914, das zwischen der Deutschen Burschenschaft (DB), der Deutschen Landsmannschaft (DL), dem Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) und dem Vertreter-Convent der Turnerschaften (VC) geschlossen wurde.
Am 30. Juni 1921 trat das „Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen“ in Kraft, von dem zunächst wegen Streitigkeiten über den Allgemeinen Deutschen Waffenring (ADW) der Vertreter-Convent der Turnerschaften, die Deutsche Landsmannschaft, der Kösener Senioren-Convents-Verband, der Rudolstädter Senioren-Convent (RSC) und der Weinheimer Senioren-Convent (WSC) fern blieben. Deren Beitritt erfolgte jedoch 1922 nach Beilegung dieser Streitigkeiten mit der Deutschen Burschenschaft. Das Abkommen regelt vor allem Ehrenangelegenheiten zwischen schlagenden und nichtschlagenden Dachverbänden, da letztere nicht bereit waren, sogenannte Satisfaktion durch Mensur zu geben.
Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde 1926 durch die Würzburger Einigungserklärung erzielt.
Fassung vom Jahre 1930
(Entwurf des von den Verbänden des EVA eingesetzten Ausschusses.)
Geltungsbereich.
Stück 1.
- Das »Erlanger Ehrenabkommen« gilt für die studierenden Mitglieder und die Gliederungen der dem Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen angeschlossenen Verbände.
- Es gilt ferner für die Alten Herren derjenigen Verbände und einzelnen Altherrenschaften, die sich dem Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen angeschlossen haben.
- Besondere Ehrenabkommen von Verbänden oder Gruppen bleiben hierdurch unberührt.
Stück 2.
Es bleibt im allgemeinen dem einzelnen überlassen, zu empfinden, ob und inwieweit seine Ehre verletzt ist. Es ist jedoch Pflicht und Recht der Gemeinschaft, niemanden unter sich zu dulden, der leichtfertig die Ehre anderer verletzt oder nicht alle erforderlichen Schritte zur Wiederherstellung seiner verletzten Ehre tut.
Beauftragte
Stück 3.
- Liegt eine Beleidigung vor oder ist es ungewiß, ob eine solche vorliegt, so muß der Sachverhalt innerhalb von drei Tagen durch einen vom Beleidigten an den Beleidiger zu entsendenden Beauftragten aufgeklärt und festgestellt werden. Außer Ansatz bleiben bei dieser Fristberechnung und bei den sonstigen Fristen dieses Abkommens der Tag der Beleidigung sowie Sonn- und Feiertage, nicht aber die akademischen Ferien.
- Befragen soll grundsätzlich ein anderer; persönlich darf nur unmittelbar nach Bekanntwerden der Beleidigung befragt werden (Kartenwechsel). Jeder persönliche Verkehr zwischen Beleidigtem und Beleidiger nach der Befragung ist zu vermeiden. Während und nach der Feststellung der Namen gefallene Beleidigungen (Nachtusch) müssen sofort, spätestens im Ehrengericht, auf begründetes Verlangen zurückgenommen werden.
- Die Tatsache der Befragung stellt für den Befragten niemals eine Beleidigung dar. Der Befragte muß auf jede bestimmt an ihn gerichtete Frage eine bestimmte, unzweideutige Antwort geben. Jede bei der Befragung wissentlich falsch gemachte Angabe ist strafbar. Bei Schriftlicher Befragung ist die Antwort an den Beauftragten zu richten.
- Wird nicht innerhalb von drei Tagen befragt, So ist der Anspruch auf Genugtuung grundsätzlich verwirkt. Trotzdem darf auch in diesem Falle durch den Beleidiger weder das Verlangen auf Genugtuung zurückgewiesen, noch die Ladung vor ein Ehrengericht abgelehnt werden. Ob der Beleidigte noch Anspruch auf Genugtuung für die vorliegende Beleidigung hat, entscheidet das Ehrengericht.
- Namensverweigerung bei der Befragung gilt als Verweigerung der Genugtuung, wenn ein Ehrengericht dies ausdrücklich feststellt.
Stück 4.
- Ist der Ehrenhandel durch Befragen des Beleidigers nicht erledigt worden, so hat der Beauftragte des Beleidigten den Beleidiger zu bitten, ebenfalls einen Beauftragten zu benennen. Die weiteren Verhandlungen sind im allgemeinen durch Beauftragte zu führen. Vornehmste Aufgabe der Beauftragten ist es, einen Ausgleich zu erreichen
- Auftreten und Empfang der Beauftragten hat den Pflichten der Höflichkeit zu entsprechen. Beleidigungen von ihnen und gegen sie sind auf Verlangen sofort zurückzunehmen; im Streit- und Zweifelsfalle entscheidet das
- Gelingt den Beauftragten der Ausgleich, so ist der Ehrenhandel damit erledigt.
- Wenn der Ausgleich nicht gelingt, erklärt der Beauftragte des Beleidigten, daß der Ausgleichsversuch als gescheitert zu betrachten und daher die Angelegenheit einem Ehrengericht zu übergeben ist.
Ladung vor das Ehrengericht.
Stück 5.
- Der Beauftragte des Beleidigten hat den Beleidiger durch dessen Beauftragten binnen drei Tagen zur weiteren Verhandlung der Angelegenheit vor ein Ehrengericht zu laden.
- Der Beleidigte bestimmt Ort und Zeit für das Ehrgericht.
- Als Beleidiger ist der zu betrachten, der zuerst beleidigt worden ist.
- Gelingt es den Beauftragten nicht, festzustellen, wer als der Beleidigte anzusehen ist, so gilt als Beleidigter im Sinne dieser Vorschrift, wer zuerst befragt hat. Das Ehrengericht kann eine abweichende Feststellung treffen: diese Entscheidung ist endgültig. Die Zusammensetzung des Ehrengerichts ist gegebenenfalls dieser Entscheidung anzupassen.
- Die Ladung wird mündlich oder, wenn dies nicht möglich, durch eingeschriebenen Brief gegen Rückschein überbracht.
- Das Ehrengericht soll spätestens innerhalb 8 Tagen nach Zustellung der Ladung zusammentreten.
- Ablehnung oder unbegründetes Nichtbefolgen der Ladung vor ein Ehrengericht gilt als Verweigerung der Genugtuung.
Zusammensetzung des Ehrengerichts.
Stück 6.
- Das Ehrengericht setzt sich zusammen aus 5 Ehrenrichtern, nämlich dem Vorsitzer, der keinem der beteiligten Verbände angehören darf und Alter Herr oder Inaktiver sein muß, je 2 Ehrenrichtern beider Parteien und dem nicht stimmberechtigten Schriftführer. Den Vorsitzer und den Schriftführer bestimmt der Beleidigte.
- Die Ehrenrichter sollen Inaktive oder Alte Herren sein, Aktive sind vor Beendigung des dritten Aktivsemesters als Ehrenrichter nicht zugelassen.
- Steht einer der Gegner im Berufsleben oder liegen Familienbeleidigungen vor, so müssen der Vorsitzer und je ein Ehrenrichter beider Parteien Alte Herren sein.
- Bei Ehrenhändeln einer Verbindung darf nur ein Ehrenrichter Mitglied der beteiligten Verbindung sein. Das gleiche gilt sinngemäß für Ehrenhändel eines Ortsverbandes oder Verbandes.
Stück 7.
- Bestehen vom Ehrengericht als stichhaltig anerkannte Gründe, die das Erscheinen eines der Gegner für längere Zeit unmöglich machen, so kann das Ehrengericht ihn vom Erscheinen entbinden.
- Erscheinen eine Partei oder ihre Ehrenrichter nicht rechtzeitig zur Verhandlung, so braucht die andere Partei nicht länger als eine halbe Stunde zu warten. Die Untersuchung der Gründe für die Versäumnisse liegt dem später verhandelnden Ehrengerichte ob; diesem steht das Recht zu, der Verbindung oder dem Verband des säumigen Mitteilung zu machen.
Aufgabe des Ehrengerichts.
Stück 8.
- In der Erkenntnis seiner Verantwortung vor den Parteien und der Gemeinschaft ist es die vornehmste Aufgabe des Ehrengerichts, klärend und ausgleichend zu wirken.
- Das Ehrengericht hat daher einen gütlichen Ausgleich zwischen den Parteien anzustreben.
- Für festgestellte Beleidigungen hat das Ehrengericht dem Beleidigten die entsprechende Genugtuung zu verschaffen.
Stück 9.
- Die Ehrenrichter sind unverletzlich, sie dürfen nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
- Beleidigungen, die im Ehrengericht fallen, müssen sofort zurückgenommen werden.
- Die Abstimmungen des Ehrengerichts sind mündlich. Es entscheidet einfache Stimmenmehrheit; Stimmenthaltung ist unzulässig.
Niederschrift des Ehrengerichts.
Stück 10.
- Die Niederschrift hat die Namen der Ehrenrichter und der Parteien, Ort und Zeit, Gang und Ergebnis der Verhandlung des Ehrengerichts, insbesondere eine genaue Darstellung des Tatbestandes zu enthalten. Sie ist vor Abschluß der Verhandlung zu verlesen und von den Ehrenrichtern durch Unterschrift zu genehmigen.
- Vertagt das Ehrengerieht seine Verhandlung; so hat der Vorsitzer die Niederschrift zuächst in Verwahrung zu nehmen,
- Die Niederschrift ist nach Schluß der Verhandlung der Partei des Beleidigten zur Aufbewahrung auszuhändigen.
- Vor Abschluß der Verhandlung hat das Ehrengericht zu beschließen und schriftlich festzulegen, ob und inwieweit Stillschweigen zu wahren ist. Diese Verpflichtung gilt für die Parteien nicht den Stellen gegenüber, deren Ehrengerichtsbarkeit sie unterstehen, Diese Stellen sind zur vertraulichen Behandlung der ihnen gemachten Mitteilungen verpflichtet.
Schriftsätze der Parteien.
Stück 11.
- Beide Parteien haben dem Ehrengericht eine schriftliche Darstellung des Sachverhalts einzureichen. Diese muß die ehrenwörtliche Versicherung enthalten, daß die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht sind.
- Alle dem Ehrengericht eingereichten Schriftsätze sollen nur den reinen Sachverhalt wiedergeben. Etwaige Zeugen sind namhaft zu machen, beweisdienliche Urkunden sind beizulegen.
- Enthalten die Schriftsätze oder spätere mündliche Ausführungen Beleidigungen oder unpassende Äußerungen, die über den Rahmen sachlicher Darstellung hinausgehen, so hat das Ehrengericht die Zurücknahme der Beleidigung in angemessener Form anzuordnen.
Zeugen
Stück 12
- Zeugen sind von den Parteien zu laden, Aussagen von Zeugen, die am Erscheinen verhindert sind, sind schriftlich zur Verhandlung beizubringen.
- Jedes dieser Ehrenordnung unterstehende Mitglied eines der unterzeichneten Verbände unterliegt dem Zeugniszwang, falls das Ehrengericht die Aussage verlangt.
- Zeugen werden vor der Aussage auf Ehrenwort verpflichtet, ihre Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen zu machen; ihre Aussagen dürfen nicht zmn Anlaß eines Ehrenhandels gemacht werden.
Gang der Verhandlung des Ehrengerichts
Stück 13
- Nach Eröffnung des Ehrengerichts hat der Vorsitzer in Abwesenheit der Parteien die Stücke 2, 8 und 9 dieser Ehrenordnung zu verlesen. Er verpflichtet sodann die Ehrenrichter und sich selbst auf Ehrenwort, nach bestem Wissen ud Gewissen zu entscheiden.
- Er fragt die Parteien, ob sie gegen die Zusammensetzung des Ehrengerichts Einwendungen erheben. Über die Anträge auf Ablehnung von Ehrenrichtern entscheidet das Ehrengericht mit Stimmenmehrheit gesondert in der Reihenfolge der gestellten Anträge. Hierbei darf der Ehrenrichter über den gegen ihn gerichteten Antrag nicht mitstimmen. Wird als Grund der Ablehnung Beteiligung des Ehrenrichters an der zur Verhandlung stehenden Angelegenheit geltend gemacht, so gilt Stimmengleichheit als Ablehnung; in allen anderen Fällen ist der Antrag auf Ablehnung bei Stimmengleichheit gefallen. Ein Ehrenrichter, dessen Ablehnung vom Ehrengericht als berechtigt anerkannt ist, hat sofort zurückzutreten.
- Ergibt Sich erst während der Verhandlung, daß einer oder mehrere der Ehrenrichter an der Angelegenheit beteiligt sind, so können sie auch dann noch abgelehnt werden.
- Der Vorsitzer hat den Parteien die ehrenwörtliche Erklärung abzunehmen, daß sie sich bedingungslos dem Spruche des Ehrengerichts unterwerfen und ihre Angaben nach bestem Wissen und Gewissen machen werden.
- Die Schriftsätze der Parteien sind zunächst in deren Abwesenheit der von dem Beleidigten eingereichte zuerst, zu verlesen. Sodann haben die Parteien - jede in Abwesenheit der anderen - ihre Angaben über den Tatbestand zu machen. Auf Beschluß des Ehrengerichts oder auf Verlangen einer Partei müssen die Schriftsätze und Angaben des einen Gegners dem anderen zur Kenntnis gegeben werden. Bestehen Unklarheiten oder Widersprüche, so können die beiden Gegner, ebenso die Zeugen, gegenübergestellt werden.
- Nach Klarstellung des Sachverhalts hat das Ehrengericht nach eingehender Beratung festzustellen, ob eine Beleidigung vorliegt. Wird diese Frage bejaht, so hat es den Parteien eindringlich Ausgleichsvorschläge zu machen.
- Werden die Ausgleichsvorschläge von einer Partei abgelehnt, so stellt das Ehrengericht fest, daß der Ehrenhandel durch Ausgleich nicht beigelegt werden konnte.
Stück 14
Entstehen während der Verhandlung Zweifel an der Genugtuungsfähigkeit eines Beteiligten gemäß diesem Abkommen, so hat sich das Ehrengericht bis zum rechtskräftigen Entscheid der für diesen zuständigen Stelle, der unverzüglich die Tatsache der Anzweiflung mitzuteilen ist, zu vertagen. Diese hat ihren Entscheid dem Vorsitzer des Ehrengerichts unverzüglich mitzuteilen.
Befugnisse des Ehrengerichts
Stück 15
Das Ehrengericht ist befugt:
festzustellen, daß eine Beleidigung nicht vorliegt; diese Feststellung ist endgültig;
festzustellen, daß der Streitfall in freier Vereinbarung beider Parteien durch Ausgleich erledigt ist;
festzustellen, daß dem Beleidigten durch Abgabe einer vom Ehrengericht festgesetzten Erklärung volle Genugtuung gegeben wird;
festzustellen, daß bei der Schwere der Beleidigung nach dem pflichtmäßigen Ermessen der Ehrenrichter den Parteien die Abgabe oder Annahme einer vom Ehrengericht festgesetzten Erklärung nicht zugemutet werden kann.
In diesem Falle hat das Ehrengericht die Angelegenheit der zuständigen Verbandsstelle des Beleidigers zur Veranlassung zu übergeben.
Die vom Ehrengericht gemäß I, 3 festgesetzte Erklärung kann bestehen in:
Zurücknahme,
Zurücknahme mit dem Ausdruck des Bedauerns,
in besonders schweren Fällen Abbitte in einer den Sachverhalt und die Verantwortlichkeit der Parteien für die Entstehung des Streitfalles treffenden Form.
Die vom Ehrengericht festgesetzten Erklärungen sind in Gegenwart der anderen Partei unverändert auszusprechen. Diese Tatsache ist in die Niederschrift aufzunehmen. Darauf hat der Vorsitzer die Pflicht, in Gegenwart der Parteien festzustellen, daß den Forderungen der Ehre genügt und die Angelegenheit erledigt ist.
Durch Zurücknahme, gegebenenfalls mit Bedauern oder Abbitte, geschieht der Ehre voll Genüge, niemand braucht sich zu scheuen, sie zu fordern, zu leisten und anzunehmen.
Ist die Beleidigung in Anwesenheit anderer Personen gefallen, so muß der Beleidiger diesen auf Verlangen des Beleidigten nach Festsetzung des Ehrengerichts von dieser ehrengerichtlichen Entscheidung innerhalb drei Tagen Mitteilung machen.
Bei öffentlichen Beleidigungen hat das Ehrengericht Art und Inhalt der Mitteilung an die Öffentlichkeit festzusetzen.
Bei schriftlichen Beleidigungen kann das Ehrengericht auf Abgabe einer schriftlichen Erklärung erkennen.
Ergibt sich bei Feststellung des Sachverhalts, daß die Veranlassung zu dem Ehrenhandel auf unbegründete, mutwillige oder leichtfertige Herausforderung oder auf schwere Trunkenheit zurückzuführen ist, so soll das Ehrengericht auf Abbitte erkennen.
Tätigkeit der Verbände
Stück 16
- Die Verbände machen über strafbare Handlungen, die im Verfahren vor dem Ehrengericht festgestellt werden, dem allgemeinen studentischen Ehrenrat und den akademischen Behörden keine Mitteilung.
- Die Verbände verpflichten sich dagegen, unzulässige Handlungen, vor allem Tatbeleidigungen jeder Art und Beschimpfungen, die den Vorwurf der Feigheit oder sonst einer ehrlosen Handlung enthalten, durch die zuständige Verbands- oder Verbindungsstelle zu verfolgen. Das Ehrengericht hat zu diesem Zweck bei Feststellung solcher Handlungen dem betreffenden Verbande Mitteilung zu machen, Es wird erwartet, daß die Tatsache der erfolgten Bestrafung den beteiligten Stellen mitgeteilt wird.
Verrufe
Stück 17
Verrufe im Bereich dieses Abkommens sind ausgeschlossen.
Ausdehnung des Ehrenabkommens.
Stück 18
Das Abkommen kann auf Antrag auf einzelne Verbindungen oder sonstige örtliche Zusammenschlüsse durch einstimmigen Beschluß der diesem Abkommen unterstehenden Verbindungen an einem Hochschulort ausgedehnt werden.
Quelle: www.wikipedia.de