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Urburschenschaft

Die Urburschenschaft war im Jahre 1815 in Jena die erste Gründung einer neuen Form von Studentenverbindung, die der Idee folgte, die landsmannschaftliche Gliederung der studentischen Zusammenschlüsse an den Universitäten abzuschaffen und alle Studenten („Burschen“) in einer einheitlichen "Burschenschaft" zusammenzuführen. Auch in der Politik sollte die Kleinstaaterei zugunsten eines vereinten Deutschlands abgeschafft werden. Protagonisten dieser Ideen waren zum Beispiel „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte und Jakob Friedrich Fries, Dozent in Jena.

Entstehung

Zur Gründung der Urburschenschaft kam es in Jena im Jahre 1815. Die damals dort existierenden, in einem Senioren-Convent (SC) zusammengeschlossenen Corps (damals teilweise noch "Landsmannschaft" genannt) lösten ihren SC auf und gründeten gemeinsam die erste "Burschenschaft".

Im Gegensatz zur späteren Entwicklung konnte an der Universität Jena um 1815 das Ideal, alle Studenten einer Universität zu umfassen, zumindest am Anfang noch zu einem gewissen Teil durchgesetzt werden. So gehörten der "Urburschenschaft" insgesamt 859 aktive Studenten an, also rund 60 Prozent aller Jenenser Studenten, die zwischen dem Sommersemester 1815 und dem Wintersemester 1819/20 in Jena studiert haben. Einen solchen Abdeckungsgrad konnte später keine Burschenschaft oder irgendeine andere Art von Verbindung mehr erreichen.

Die vollständige Liste aller Mitglieder der Urburschenschaft, das "Stamm-Buch", ist heute im Besitz der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller Jena und wurde im Jahre 2005 neu bearbeitet und publiziert.

Im Jahre 1817 trat die neue Bewegung bei einem Treffen zahlreicher Burschen auf der Wartburg zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Diese Bewegung breitete sich bald im gesamten deutschen Raum aus und stellte sich in Gegensatz zu den frühen Corps und ihren SCs, die bis dahin die Gesamtvertretung für die Studenten einer Universität beanspruchten.

Die Burschenschaften waren von Anfang an politische Organisationen mit politischen Forderungen: vor allem nach demokratischen Reformen und Deutschlands Einigung. Die Corps dagegen verstanden sich als Zusammenschlüsse zur gemeinsamen Regelung des studentischen Lebens.

Identitätssymbole

Ein Symbol der neuen nationalen Bewegung war eine besondere Form der Kleider- und Haartracht, die bereits während der Befreiungskriege aufgekommen war und altdeutsche Tracht genannt wurde, obwohl es keine historischen Vorbilder gab. Diese Tracht sollte einen Gegenpol zu "französischen Modetorheiten" bilden und bestand aus einem langen geschlossenen Rock mit oben weit geöffnetem Hemdkragen, sehr weit geschnittenen Hosen und einem großen, samtenen Barett. Als unverzichtbar galten lange, ungepflegte Haare und ein wilder Bartwuchs. Diese Tracht galt als so provokativ und aufrührerisch, dass sie von den Behörden teilweise verboten wurde.

Die Farben der Urburschenschaft manifestierten sich in der ersten Fahne, die rot-schwarz-rot zeigte mit einem goldenen Eichenzweig in der Mitte und goldenen Fransen am Rand. Diese Fahne sollte den Ursprung der "deutschen Farben" Schwarz-Rot-Gold bilden.

Auswirkung

Während sich die Idee der Burschenschaft in ganz Deutschland ausbreitete und überall in Deutschland neue Burschenschaften gegründet wurden, konnte die Vereinigung aller Studenten einer Universität an anderen Orten nicht wie in Jena durchgesetzt werden. Auch der Versuch aus dem Jahre 1818, eine "Allgemeine Deutsche Burschenschaft" für alle Studenten Deutschlands zu gründen, war angesichts der bald darauf einsetzenden Verfolgungen nach den Karlsbader Beschlüssen zum Scheitern verurteilt. An vielen Universitäten bestanden die Corps weiter, ja es gründeten sich zunehmend mehrere Burschenschaften pro Universität. Bald gab es auch Richtungskämpfe innerhalb der Bewegung.

Die Urburschenschaft in Jena zersplitterte schließlich im Jahre 1819 in die drei gleichberechtigten Urburschenschaften Teutonia Jena, Germania Jena und Arminia Jena; auch die Jenenser Corps gründeten sich im Jahre 1820 wieder (siehe: Corps Saxonia Jena, Corps Thuringia Jena, Corps Franconia-Jena zu Regensburg).

Anlässlich der Auflösung der Urburschenschaft dichtete Daniel August von Binzer 1819 das Lied "Wir hatten gebauet ein stattliches Haus", dessen 7. Strophe lautet:

Das Band ist zerschnitten, war Schwarz, Rot und Gold, und Gott hat es gelitten, wer weiß was er gewollt!

Hier wurden die Farben Schwarz-Rot-Gold erstmals erwähnt, die dann zum Symbol der Burschenschafts- und Demokratiebewegung in Deutschland wurden. Die Trikolore in den deutschen Farben wurde 1832 auf dem Hambacher Fest zum ersten Mal gezeigt, allerdings nach Jenenser Tradition von unten nach oben, das heißt, der schwarze Farbstreifen war unten, der goldene oben.

Die Burschenschaften waren nach diesen ersten Anfangsjahren nur noch eine bestimmte Form von Studentenverbindung neben anderen. Das Ideal der Urburschenschaft - die einheitliche Zusammenfassung aller Studenten - wurde später indessen von anderen Reformbewegungen wie dem Studentischen Progress oder der Freistudentenbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts wieder aufgegriffen und weitergeführt.

Literatur

Peter Kaupp (Bearb.), Stamm-Buch der Jenaischen Burschenschaft - Die Mitglieder der Urburschenschaft 1815-1819, (Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen 14), SH-Verlag 2005, ISBN 3-89498-156-3

Quelle: Wikipedia