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Geschichte (Universitäten)

Entwicklung der Universitäten im Lauf der Geschichte Altertum und Mittelalter

„Universitäten” sind keine Erfindung der Neuzeit; bereits im Altertum existierten in hochentwickelten Staatswesen wie Athen, Alexandria, Byzanz oder Rom „Hohe Schulen”, die jedoch im Gegensatz zur heutigen Zeit weniger der Vorbereitung auf das Berufsleben dienten, sondern sich vielmehr einer allgemeinen Bildung verpflichtet fühlten. Hierbei handelte es sich in erster Linie um die sog. „artes liberales” („freie Künste"), die in das Trivium („Dreiweg", die „niederen”, „trivialen” Künste), bestehend aus Grammatik, Dialektik und Rhetorik, sowie das Quadrivium („Vierweg", die „höheren” Künste) mit Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik unterteilt waren. Im wesentlichen bildeten diese Hohen Schulen Lehrer-Schüler-Gemeinschaften. Die auch in heutiger Zeit bekanntesten unter ihnen dürften die „Schulen” SOKRATES — PLATON, PLATON — ARISTOTELES und ARISTOTELES — ALEXANDER DER GROSSE im 5./4. Jh.v.Chr. sein. Die Schüler fühlten sich in besonderer Weise ihrem Lehrer und seiner Familie verpflichtet, auch in finanzieller Hinsicht. Der Eid des Hippokrates (460 -377 v.Chr.) führt dies so aus:

[...] Ich werde den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleich meinen Eltern achten, ihn an meinem Unterhalt teilnehmen lassen, ihm, wenn er in Not gerät, von dem Meinigen abgeben, seine Nachkommen gleich meinen Brüdern halten und sie diese Kunst lehren, wenn sie sie zu lernen verlangen, ohne Entgelt und Vertrag. Und ich werde an Vorschriften und Vorlesungen und aller übrigen Unterweisung meine Söhne und die meines Lehrers [...] teilnehmen lassen. [... ]

In Mitteleuropa fand „Bildung` erst nach der Christianisierung vom 7. Jh. an Eingang und dann zunächst auch nur im direkten Umfeld der Kirche, etwa in Form von Dom- und Klosterschulen. Ihre Bestimmung war — im Gegensatz zum Altertum — zweckgebunden auf die Heranziehung des priesterlichen Nachwuchses ausgerichtet. Berühmte Schulen entstanden in Reichenau (Bodensee) und St. Gallen. Im Bereich der weltlichen Herrschaft war „Bildung`, vor allem Lesen und Schreiben, vielfach bis in das 11. und 12. Jh. hinein verpönt; es war einem Ritter „unwürdig”. Diese Aufgaben wurden von Priestern wahrgenommen. Durch Einflüsse aus dem arabischen Raum (die Universität Kairo wurde bereits 970 gegründet) kamen Anregungen über das arabisch besetzte Spanien nach Mitteleuropa. In Bologna ist seit 1119 eine auf Rechtswissenschaften spezialisierte Hochschule nachgewiesen, in Paris seit ca. 1150. Aufgrund der zu dieser Zeit noch herrschenden Lehrfreiheit, nach der sich jeder als Hochschullehrer betätigen konnte, sind genaue Stiftungsdaten nicht bekannt. Auch das III. Laterankonzil von 1179 bekräftigte die Lehrfreiheit. Der Erfolg des Lehrenden ergab sich aus der Zahl der Studenten (üblicherweise hörte man nur einen Lehrer) und nach dem allgemein verbindlichen Honorar je Schüler. An einer großen Universität studierten zu diesem Zeitpunkt ca. 200 bis 300 Studenten, verteilt auf ca. 15 bis 20 Professoren! Beschränkungen der Lehrtätigkeit existierten anfangs nur hinsichtlich des Verbots „ketzerischer” Lehren und bei „sittlich unwürdigen Personen”. 1233 bekräftigte die päpstliche Verkündigung der „facultas hic et ubique docendi” (Lehrbefähigung hier und überall) die Stellung der Lehrenden. Im weiteren Verlauf bewirkten jedoch Auswüchse und die Interessen der geistlichen wie der weltlichen Herren wesentliche Einschränkungen. Hinsichtlich ihrer Organisation stellten Bologna und Paris typische Vertreter zweier unterschiedlicher Hochschulformen dar. Paris, dem Selbstverständnis nach eine umfassende Schule, präsentierte sich als ein Zusammenschluß der Lehrenden mit Unterteilung in verschiedene Fakultäten (bis spätestens 1260 abgeschlossen). Lehrer und Schüler (scholares) wurden seit 1222 in „nationes” gegliedert, die jedoch nur geringen Einfluß hatten. Von 1249 an war ihre Zahl auf 4 festgelegt (französische, pikardische, normannische und englische Nation). Die Macht lag in den Händen der Lehrenden, insbesondere des Rektors. Demgegenüber war in Bologna die Gesamtheit aller Studenten die Trägerin der Universität. Die Studenten waren nach landsmannschaftlichen Gesichtspunkten in nationes zusammengefaßt, denen bereits eine begrenzte Ordnungs- und Polizeifunktion zugestanden war. Die Mitglieder waren zu gegenseitigem Schutz und Unterstützung verpflichtet. Die drei italienischen nationes schlossen sich zur „Universitas citramontanorum”, die 14 nichtitalienischen zur „Universitas ultramontanorum” zusammen. Diese Gemeinschaften hatten weitgehende Rechte im Rahmen der universitären Selbstverwaltung: so wurde etwa der Rektor von ihnen gewählt und auch die Lehrpläne von ihnen bestimmt. Die deutschen Studenten in Italien standen unter besonderem Schutz des römisch-deutschen Kaisertums. Seit 1265 mußte der Rektor alle 5 Jahre aus der deutschen Nation gewählt werden. Neben den ortsansässigen und den zu den Gemeinschaften (s.o.) zählenden Studenten bildeten die fahrenden Scholaren den größten Teil, wobei die langen Reisen eine erhebliche Gefahr für sie darstellten. Sie wurden daher durch einen Erlaß FRIEDRICH BARBAROSSAS 1158 (nach den Anfangsworten „Authentica habita” genannt) unter den Schutz des Kaisers gestellt. Die Haftung für Landsleute wurde ausgeschlossen und die Gerichtsbarkeit in die Hände ihres Lehrers oder Bischofs gelegt. Obwohl für Bologna erlassen, kann die Authentica Habita sicher allgemeine Geltung beanspruchen. Sie stellt den Anfang der späteren Universitätsprivilegien, z.B. der akademischen Gerichtsbarkeit dar, die seit 1233 mit dem Ausdruck der „libertas scholastica”, später „libertas academica” (akademische Freiheit) bezeichnet werden. Die ersten Universitäten lagen außerhalb Deutschlands, so daß Kaiser KARL IV, selbst ehemaliger Student in Paris, diesen Zustand mit der Gründung der Universität in Prag beendete (1348). Er führte auch den Begriff „Universität”, der in Bologna aufgekommen war, in Deutschland ein. Die deutschen Universitäten übernahmen die Pariser Organisationsform, sodaß sich hier die Anfänge der in der 68er-Bewegung angegriffenen „Ordinariats-Universität” finden. Weitere Gründungen erfolgten 1364 in Krakau, 1365 in Wien und 1386 in Heidelberg. Bedingt durch das sog. „abendländische Schisma” 1378 bis 1417, als sich die Gefolgschaften der Päpste und Gegenpäpste bis in den Lehrkörper der Universität Paris fortsetzten, verließen viele Professoren die Stadt. Sie fanden in den inzwischen erfolgten deutschen Gründungen Aufnahme: Prag, Krakau, Wien, Heidelberg, Köln 1388, Erfurt 1392, Würzburg 1402, Leipzig 1409. Dabei spiegelt die Gründung der Universität Leipzig durch den Auszug der deutschen Studenten aus Prag (aus Anlaß geringeren Stimmrechts trotz zahlenmäßiger Überlegenheit gegenüber den Tschechen) den wachsenden Konflikt zwischen reformatorisch-nationalistischen Strömungen auf tschechischer Seite und römisch-deutscher Gesinnung auf der anderen Seite wider. Nach einem vorübergehenden Tiefpunkt zu Beginn des 16. Jh. durch die Umwälzungen im Gefolge der Reformation und der Bauernkriege kam es in der Folgezeit dann zu einer wachsenden Zahl von Universitätsneugründungen, vorwiegend durch die Landesherren, die Landeskirchen oder im Zuge der Gegenreformation.

Neuzeit

Das Selbstverständnis der universitären Ausbildung blieb von diesen Veränderungen jedoch bis in das 17. Jh. hinein unbeeinflußt. Im Vordergrund standen die Tradierung des Wissens des Altertums und der christlichen Antike sowie die Ausbildung der in zunehmend größerer Zahl erforderlichen Rechtsgelehrten. Erst mit den Einflüssen der Aufklärung, der beginnenden Etablierung der Freiheit der Lehre, der Lösung vom überlieferten Wissensgut und der Einbeziehung von Erfahrung und Experiment am Ende des 17, und Beginn des 18. Jh. ergaben sich grundlegende neue Impulse. Ungewollte Unterstützung erfuhren diese Tendenzen durch die große Zahl autonomer Länder und freier Städte in Folge des deutschen Partikularismus: trotz des weitverbreiteten Absolutismus und seiner Einflußnahme auf die Universitäten ergaben sich so innerhalb Deutschlands Refugien einer freien Geisteshaltung im wissenschaftlichen wie auch politischen Bereich. Bis weit in das 19. Jh. hinein konnten immer wieder Verfolgte davon profitieren. Bekannte Beispiele sind die sog. „Göttinger Sieben” um die Germanistik-Professoren GRIMM wie auch FRIEDRICH VON SCHILLER. Die Abkehr von der mittelalterlich geprägten Universität fand ihren sichtbaren Ausdruck in einer zunehmenden Zahl von Veröffentlichungen in den Landessprachen, die Schritt für Schritt das Lateinische verdrängten. Auch die Vorlesungen, übernommen vom alten Lehrverständnis, erfolgten immer häufiger in den Landessprachen. Die Abkehr vom Lateinischen als Unterrichtssprache an den Universitäten hatte THEOPHRASTUS BOMBASTUS VON HOHENHEIM (PARACELSUS) zu Beginn des 16. Jh. in der Schweiz mit der ersten nicht-lateinischen Vorlesung eingeleitet. Das 19. Jh. war geprägt von einem neuen Wissenschaftsbegriff, der sich besonders unter dem Einfluß von WILHELM VON HUMBOLDT (1767-1835) an den bestehenden Universitäten verbreitete. Ausdruck dieser neuen Haltung waren die Universitätsgründungen in Berlin 1809/10, Breslau 1811 und Bonn 1818. Wissenschaft wurde nun als ständiger Prozeß im Bemühen um Wahrheit und weitergehende Erkenntnis verstanden, eine Einstellung, die auch heute noch Grundlage jeder Forschung ist. Als Voraussetzungen wurden die enge Verbindung zwischen Forschung und Lehre, die Unabhängigkeit der Hochschulen (hier wurde die „libertas academica” wieder aufgegriffen!) und die strikte Trennung von Schule und Universität gesehen. Letztere war zu Beginn des 19. Jh. durchaus noch keine Selbstverständlichkeit, das Akademische Gymnasium in Wien gehörte z.B. noch bis 1848 zum Universitätsverband. Weiterhin setzte sich die Überzeugung von der persönlichkeitsbildenden Wirkung von Wissenschaft und allgemeiner Bildung durch, was zur Aufwertung des „studium generale” führte (als Begriff übrigens schon seit ca. dem 14. Jh. bekannt). Demzufolge wurde ein eingegrenztes, nur auf die Erfordernisse des Berufes ausgerichtetes Studium abgelehnt. In dieser Hinsicht wurde die Tradition des Altertums wieder aufgegriffen.

Für die speziellen Erfordernisse der technischen Berufe entstanden daher neben den klassischen Universitäten eigene höhere Ausbildungsstätten, die zum Ende des Jahrhunderts vielfach den Stand von Technischen Hochschulen (TH) erreicht hatten und um die Jahrhundertwende meist den Universitäten gleichgestellt wurden. Seit 1926 traten zu ihnen und den Universitäten die Pädagogischen Akademien zur Lehrerausbildung, die z.T. als wissenschaftliche Hochschulen anerkannt waren. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Hochschulstruktur trotz kontinuierlich steigender Studentenzahlen zunächst unverändert weitergeführt. Unter der Vorstellung einer drohenden „Bildungskatastrophe” durch zu wenige Hochschulabsolventen (v.a. vertreten durch G. PICHT) wurden seit der Mitte der 60er Jahre verstärkt Neu- und Ausbau von Hochschulen und die Gründung neu konzipierter Formen (Gesamthochschulen) betrieben. Gleichzeitig erfolgte die Umstrukturierung der alten Universitäten (von der sog. „Ordinarien-Universität” zur „Gruppen-Universität”) sowie die Integration nicht-universitärer Hochschulen (meist Pädagogische Hochschulen) in die örtlichen Universitäten. Ein abschließendes Urteil, inwieweit diese Maßnahmen notwendig und/oder erfolgreich waren, ist derzeit (noch?) nicht möglich. Die Gesamtzahl der Studierenden wie auch die Zahl der an „beliebten” Hochschulorten Immatrikulierten stiegen auf nie für möglich gehaltene Höhen. Einzelne große Universitäten zählen bis über 40.000 Studenten, so in München, Köln oder Münster. In den 70er und 80er Jahren prägten daher über-füllte Hörsäle, Seminare und Praktika zunehmend das Bild des modernen Lehrbetriebs. In der aktuellen Diskussion ist die Sorge vor zu wenigen Studenten gegenüber der Sorge um zu viele schulisch und universitär zu schlecht ausgebildete Studenten in den Hintergrund getreten. Die-se Problematik wird durch die Finanzierungsprobleme (Verschuldung öffentlicher Haushalte, außergewöhnliche Kostensteigerungen im Forschungsbereich) verschärft, sodaß spätestens seit Mitte der 80er Jahre die sog. „Drittmittel” (z.B. personelle und materielle Unterstützung von Forschungsvorhaben durch die gewerbliche Wirtschaft) verstärkt zur ergänzenden Finanzierung der Universitäten diskutiert wurden. Die Gegner einer solchen Kooperation sehen hier die Freiheit der Lehre durch Abhängigkeiten von Geldgebern in Gefahr, die Befürworter betonen die besseren Chancen für beide Partner durch effizienteren Einsatz von Personal und Finanzen und die engere Verbindung von Forschung und Anwendung in der Praxis.

Ausblick

Die tiefgreifenden Änderungen in der Weltwirtschaft in den 80er Jahren, v.a. im Bereich Mittel- und Osteuropas seit 1989, bewirken eine grundlegende Änderung der Beschäftigungsstruktur in den hochindustrialisierten Ländern des „alten Westeuropas”. Dies betrifft nicht nur die gewerblichen Arbeitnehmer, sondern in steigendem Maß auch die Führungskräfte. Der Bedarf an spezialisierten und hochqualifizierten Fachkräften wird weiter steigen; „Generalisten” alter Prägung sind aufgrund der umfangreicher und komplexer werdenden klassischen Disziplinen immer weniger erforderlich. Das wird nicht ohne Konsequenzen für die Hochschulen bleiben. Es ist zu erwarten, daß in den nächsten Jahren die Diskussion über eine Zurückführung der Universitäten auf Grundlagenforschung und -lehre zugunsten einer stärkeren Verlagerung der praxisbezogenen kürzeren Ausbildung von Führungskräften auf die Fachhochschulen oder in die Betriebe breiten Raum einnehmen wird. Dabei dürften neben den Erfordernissen des Arbeitsmarkts auch die Fragen der Lebensarbeitszeit, der Sicherung der Renten und der effizienteren Nutzung der Universitäten (Vermeidung von Überqualifikation und „Parkstudiengängen”) eine Rolle spielen.