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Deutsche Studentenschaft

Die Deutsche Studentenschaft (DSt) war von 1919 bis 1945 der Zusammenschluss der Allgemeinen Studentenausschüsse aller deutschen Hochschulen einschließlich Österreichs sowie der ehemals deutschen Hochschulen in der Tschechoslowakei. Ursprünglich gegründet als demokratische Interessenvertretung, geriet die DSt bereits Anfang der 1920er Jahre in schwere innere Auseinandersetzungen zwischen republikanischer Minderheit und völkischem Mehrheitsflügel. Seit 1931 vom NS-Studentenbund beherrscht, wurde die DSt 1936 faktisch mit diesem zusammengelegt und schließlich 1945 als NS-Organisation verboten.

Vorgeschichte

Von den Zeitgenossen wurde dieser erste studentische Dachverband auf deutschem Boden als die „Gestalt gewordene Sehnsucht eines Jahrhunderts deutschen Studententums“ gefeiert. Denn obwohl bereits die Urburschenschaft den Zusammenschluss aller Studenten zu einer einheitlichen Organisation erstrebt hatte und es auch später mehrfach Ansätze zu gemeinsamen Vertretungen gab, blieb die deutsche Studentenschaft das gesamte 19. Jahrhundert hindurch in zahlreiche konkurrierende Verbindungen und Verbände zersplittert. Allerdings erhoben einige dieser Verbände – allen voran die „national“ gesinnten Burschenschaften und Vereine Deutscher Studenten – häufig den Anspruch, für die deutsche Studentenschaft als Ganzes zu sprechen, etwa bei den zahlreichen von ihnen initiierten Bismarck-Ehrungen. Gegen diesen Alleinvertretungsanspruch regte sich seit den 1890er Jahren der Widerstand der nicht-korporierten Studenten, die sich in Freistudentenschaften zusammenschlossen und nach langen Auseinandersetzungen mit Verbindungen und Hochschulbehörden schließlich die Bildung gemeinsamer Vertretungen in Gestalt der Allgemeinen Studentenausschüsse durchsetzten. Zur Gründung einer Gesamtvertretung auf nationaler Ebene kam es aber vor dem 1. Weltkrieg nicht mehr.

Demokratische Ansätze und solidarische Selbsthilfe

Die Deutsche Studentenschaft wurde im Juli 1919 auf dem Ersten Allgemeinen Studententag Deutscher Hochschulen in Würzburg als Dachorganisation der örtlichen Studentenschaften gegründet. Die in Würzburg versammelten Studentenvertreter, zumeist ehemalige Kriegsteilnehmer, waren nicht nur entschlossen, die Gräben der Vorkriegszeit zwischen den verschiedenen studentischen Gruppierungen endlich zu überwinden – was z. B. in der paritätischen Zusammensetzung des ersten Vorstandes zum Ausdruck kam –, sondern zudem in ihrer Mehrzahl (noch) bereit, „auf dem Boden der neuen Staatsordnung am kulturellen Wiederaufbau Deutschlands mitzuwirken“. In diesem Sinne setzte sich die DSt in ihren Anfangsjahren vorrangig für die sozialen Belange der von Kriegsfolgen und Inflation betroffenen Studierenden ein. So wurden auf dem 4. Deutschen Studententag in Erlangen 1921 die zuvor auf örtlicher Ebene entstandenen Selbsthilfevereine in der „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft e. V.“ zusammengefasst, aus der später das Deutsche Studentenwerk hervorging. In ihrem Erlanger Programm propagierte die DSt außerdem die studentische Werkarbeit (vulgo: Jobben) nicht nur als Mittel zur Aufbesserung des Lebensunterhalts, sondern auch als Beitrag zur Überwindung der überkommenen Standesschranken zwischen Akademikern und Arbeiterschaft. Großen Anteil hatte die DSt in den folgenden Jahren auch an der Entstehung der Studienstiftung des deutschen Volkes 1925, der Förderung des Auslandsstudiums sowie des Hochschulsports. Anfängliche Vorschläge für eine Hochschulreform und Forderungen nach studentischer Mitwirkung an der akademischen Selbstverwaltung traten indes bald in den Hintergrund.

Verfassungsstreit und antirepublikanische Radikalisierung

Dazu trug vor allem der Umstand bei, dass die DSt bald nach ihrer Gründung in schwere innere Kämpfe verwickelt wurde, die nach dem Ausscheiden der pragmatisch orientierten Kriegsgeneration zu einer dauerhaften Spaltung der DSt in eine republikanisch-verfassungstreue Minderheit und einen völkischen Mehrheitsflügel führte. Hauptstreitpunkt des jahrelang erbittert geführten „Verfassungsstreits“ war die Frage, ob die Mitgliedschaft in den Einzelstudentenschaften auf dem egalitär-demokratischen „Staatsbürgerprinzip“ oder dem von den Völkischen vertretenen „Arierprinzip“ beruhen sollte. Letzteres wurde anfangs nur von den österreichischen und „sudetendeutschen“ Vertretern propagiert, fand aber auch unter den „reichsdeutschen“ Studentenschaften – vor allem nach Gründung des Deutschen Hochschulrings als Sammlungsbewegung der völkischen Rechten – immer mehr Zustimmung. Der letztendliche Sieg der arisch-völkischen Position veranlasste schließlich den preußischen Kultusminister Becker um die Jahreswende 1926/27, den Studentenschaften in seinem Land ein Ultimatum zu stellen: Sie sollten entweder den Staatsbürgergrundsatz uneingeschränkt anerkennen (und die Zusammenarbeit mit den rein-„arischen“ auslandsdeutschen Studentenschaften beenden) oder ihren öffentlich-rechtlichen Status verlieren, den sie seit 1920 besaßen. In einer Urabstimmung votierten die preußischen Studierenden zu rund 77 % gegen die entsprechende Verordnung Beckers, der daraufhin die verfassten Studentenschaften in Preußen auflöste.

Nationalsozialistische Eroberung und Gleichschaltung

In der Folge verlor die DSt zeitweise an Bedeutung und geriet zugleich in immer stärkere Abhängigkeit von den einflussreichen Korporationsverbänden; eine 1928 von republikanischen, linken und jüdischen Gruppen initiierte Gegengründung namens Deutscher Studenten-Verband (D.St.V.) fand indes nur wenig Rückhalt. Ein relativer Rückgang der Wahlbeteiligung zu den örtlichen Studentenausschüssen – von zuvor durchschnittlich 80 % auf unter 50 % im Jahr 1929 – begünstigte zudem deren anschließende „Eroberung“ durch den NS-Studentenbund, der auf dem Grazer Studententag 1931 – zum Teil gegen den erbitterten Widerstand der Korporationsverbände – schließlich die Führung in der DSt übernahm. Auf dem Königsberger Studententag im Jahr darauf erschienen die Delegierten bereits in den Uniformen der verschiedenen NSDAP-Gliederungen; die faktische Selbstgleichschaltung der DSt war vollzogen. 1933 wurden die verfassten Studentenschaften per Reichsgesetz auch in Preußen wieder eingeführt, zugleich allerdings ihrer demokratischen Verfassung beraubt und auf das Führerprinzip und die politischen Ziele des NS-Staates eingeschworen. Dies führte zu einer vorübergehenden Stabilisierung und Aufwertung der DSt. In der Folge mehrten sich aber die ständigen Machtkämpfe mit dem NS-Studentenbund, so dass schließlich 1936 beide Organisationen unter einer gemeinsamen „Reichstudentenführung“ zusammengeführt wurden. 1945 wurde die Deutsche Studentenschaft durch den Alliierten Kontrollrat als NS-Organisation verboten. Als – wiederum demokratische – Nachfolgeorganisation entstand 1949 in Marburg der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS).

Quelle: Wikipedia