Bierstaat
Bierstaat (oder auch Bierherzogtum, Bierkönigreich etc. genannt) war ein unter Studenten bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts übliches karnevalistisches Spiel, das sich über mehrere Tage erstrecken konnte und mit übermäßigem Alkoholgenuss einherging. Thema war die Parodie der herrschaftlichen Strukturen des Heiligen Römischen Reiches, der Aristokratie und des Klerus. Hauptorte dieser Gebräuche waren Jena und Leipzig, aber auch Breslau. Thematisch verwandt waren auch weiter verbreitete, einfachere, kürzere Trinkspiele, die unter den Namen „Fürst von Thoren“ oder „Papstspiel“ bekannt waren und vermutlich als Vorläufer der Bierstaaten anzusehen sind. Erste „Trinkerreiche“ scheint es schon im 16. Jahrhundert gegeben zu haben.
Diese Spiele sind das Thema zahlreicher Darstellungen und literarischer Erwähnungen vor allem aus der Endphase, der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Typisch für diese Veranstaltungen war die Kombination von karnevalistischer Parodie, kabarettistisch-literarischem Vortrag („Spottreden“) und exzessivem Alkoholgenuss. Die meisten dieser Veranstaltungen überschritten aus heutiger Sicht bei weitem die Grenzen des guten Geschmacks und waren ein Beispiel für die ungezügelten Sitten der studentischen Kultur bis ins angehende 19. Jahrhundert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Versuche, zumindest die Jenenser Tradition der „Bierherzogtümer“ in Westdeutschland wiederzubeleben, was aber misslang. Heute sind diese Veranstaltungen weitgehend vergessen und existieren nur noch als Gegenstand studentenhistorischer Abhandlungen.