Meum est propositum
[ C - c g g e ]
KV-Liederbuch Seite 156
- Meum est propositum ad tabernam ire,
ubi sonant tympana, ubi sonant lyrae. Nullum decet vacuum tabernam transire, nisi prius debeat scyphum deglutire.
Mein Vorsatz ist es, in die Kneipe zu gehen,
wo die Tamburine und die Leiern erklingen. Es ziemt sich für niemanden, an einer leeren Kneipe vorbeizugehen, ohne zuvor pflichtgemäß einen Becher getrunken zu haben.
- Poculis accenditur animi lucerna,
cor imbutum nectare volat ad superna. Mihi sapit dulcius vinum de taberna, uam, quod aqua miscuit praesulis pincerna.
Das Licht des Geistes entzündet sich durch die Becher,
das Herz fliegt, benetzt vom Nekar, gen Himmel. Mir schmeckt der Wein aus der Kneipe süßer als der, der vom Mundschenk des Bischofs mit Wasser vermischt wird.
- Loca vitant publica quidam poëtarum
et secretas eligunt sedes latebarum; student, instant vigilant, nec laborant parum, et vix inde reddere possunt opus clarum.
Manche Dichter meiden öffentliche Örtlichkeiten
und wählen abgelegene Zufluchtsorten aus, eifern, bemühen sich heftig, bleiben wach und arbeiten nicht wenig, und könnnen kaum endlich ein berühmtes Werk vorweisen.
- Ieunant et abstinent poëtarum chori,
vitant rixas publicas et tumultus fori, et ut opus faciant, quot non possit mori, moriuntur studio subditi labori.
Die Chöre der Dichter fasten und bleiben fern,
meiden öffentliche Streitigkeiten und Tumulte auf dem Forum, und um ein Werk zu schaffen, das nicht sterben kann, sterben sie im Eifer, der Arbeit hingegeben.
- Tales versus facio, quale vinum bibo;
nihil possum facere nisi sumpto cibo; nihil valent penitus, quae ieiunus scribo, Nasonem post calicem carmine praeibo.
Verse mach ich von der Art, wie der Wein ist, den ich trinke,
gar nichts kann ich machen, ich hätte denn gegessen, nicht das mindetse ist wert, was ich nüchtern schreibe, nach dem Trunk kann den Ovid ich im Dichten übertreffen.
- Mihi nunquam spiritus poëtrae datur,
nisi prius fuerit venter bene satur; cum in arce cerebi Bacchus domiatur, in me Phoebus irruit et miranda fatur.
Mir wird nie der Geist der Poesie verliehen,
wenn der Bauch nicht vorher gut gesättigt ist; wenn in der Burg des Hirns Bacchus die Herrschaft hat, kommt Phoebus über mich und kündet Wunderdinge.
- Unicuique proprium dat natura munus:
ego numquam potui scribere ieiunus, me ieiunum vincere posset puer unus; sitim et ieiunum odi tamquam funus.
Jedem einzelnen gibt die Natur eine eigene Gabe:
ich konnte niemals nüchtern schreiben, nüchtern könnte mich jeder Junge besiegen. Durst und Hunger hasse ich wie ein Begräbnis.
- Unicuique proprium dat natura domum;
ego versus faciens bibo vinum bonum et quod habent purius dolia cauponum; tale vinum generat copiat sermonum.
Jedem einzelnen gibt die Natur ein wesenhaftes Geschenk:
wenn ich Verse verfasse, trinke ich guten Wein, und das, was die Fässer der Wirte von der besten Sorte haben; solch ein Wein hatte eine Menge an sprachlichen Wendungen hervorgebracht.
Worte: Walther, der Erzpoet, Carminia Burana Weise: Joh. Abraham Peter Schulz, 1784 (1747-1800) Weise zu G. A. Bürgers "Ich will einst bei Ja und Nein"
Alternative Weise
Worte: Walther, der Erzpoet, Carminia Burana Weise: "Lauriger Horatius", (G - g g g a) Alte Studentenweise, schon 1799 bekannt
Anmerkungen
Der Text ist dem 191 Lied der lateinischen Verssammlung Carmina Burana entnommen und als Vagantenbeichte bekannt. Die erste Strophe heißt eigentlich:
Meum est propositum in taberna mori, Mein Vorsatz ist es in der Kneipe zu sterben, ut sint vina proxima morientis ori; damit der Wein dem Mund des Sterbenden ganz nahe sei; tunc cantabunt letius angelorum chori: freudiger werden dann die Engelschöre singen: "Sit Deus propitius huic potatori." "Gott möge diesem Trinker gnädig sein."
CV-Liederbuch Variante
Meum est propositum ad tabernam ire, ubi sonant tympana, ubi sonant lyrae. Nullum decet vacuum tabernam transire, nisi prius debeat scyphum deglutire.
Poculis accenditur animi lucerna, cor inbutum nectare volat ad superna. Mihi sapit dulcius vinum de taberna, uam, quod aqua miscuit praesulis pincerna.
Jejunant et abstinent poetarum chori, vitant rixas publicas et tumultus fori, et ut opus faciant, quot non possit mori, moriuntur studio subditi labori.
Unicuique proprium dat natura munus: ego versus faciens bibo vinum bonum, et quod habent purius dolia cauponum; tale vinum generat copiam sermonum.
Mihi nunquam spiritus poetrae datur, nisi prius fuerit venter bene satur; cum in arce cerebi Bacchus domiatur, in me Phoebus irruit et miranda fatur.
Tales versus facio, quale vinum bibo; nihil possum facere nisi sumpto cibo; nihil valent penitus, quae ieiunus scribo, Nasonem post calicem carmine praeibo.